Das Wasser und das Meer haben ein doppeltes Gesicht:
Einerseits sind das Meer und das Wasser etwas Gutes und Lebenspendendes. Alle Lebewesen leben durch das Wasser, manche im Wasser; und das Wasser der Flüsse und des Meeres kann uns und sogar riesige Schiffe tragen. Ohne Wasser gäbe es kein Leben, keine Natur mit ihren bunten Farben, keine Strände und Schwimmbäder, die einem bei Hitze Abkühlung verschaffen, keine Getränke, die unseren Durst löschen.
Andererseits ist das Wasser (und besonders das Meer) gefährlich. Wasser ist eine Urgewalt, die uns Menschen schon immer Angst gemacht hat: hohe Wellen und Überschwemmungen; Erdrutsche oder auch volllaufende Keller; Täler, die das Wasser ins Gestein fräst; … – die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen.
Durch sein Wort brachte der Herr das Meer zur Ruhe und säte Inseln darein.
(Jesus Sirach 43,25)
Die Bibel kennt ebenfalls beide Gesichter des Wassers:
Einerseits das Wasser als gefährliche Urgewalt: Das Chaos vor der Erschaffung der Welt, so heißt es ganz am Anfang der Bibel, war nichts anderes als eine unermessliche lebensfeindliche Urflut, ein unendlich tiefer Abgrund – voll mit Wasser ohne Raum für den Atem des Lebens, für Lebendigkeit und Vielfalt.
Doch dann setzt Gott durch sein Schöpferwort dem Wasser Grenzen, dämmt die Urflut ein, indem er Land schafft, einen Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen. Und das Wasser fließt in Bächen, Flüssen und Seen durch diesen Lebensraum und lässt ihn lebendig werden, lässt Pflanzen sprießen, löscht den Durst von Tier und Mensch. So wird das Wasser durch Gottes Handeln das, was es heute vor allem ist: Grundlage des Lebens.
Du hast eine Grenze gesetzt, darüber kommen die Wasser nicht und dürfen nicht wieder das Erdreich bedecken.
(Psalm 104,9)
Ja, es ist das Wunder schlechthin: Gott schafft aus dem ungeordneten Chaos der Urflut etwas Geordnetes, Schönes, Lebendiges – unsere Welt. Und wir Menschen dürfen in dem von Gott geschenkten Lebensraum selbst Schönes und Gutes schaffen. (Dass wir dabei leider oft auch das Gegenteil zustande bringen, steht auf einem anderen Blatt, ist eine andere Geschichte.)
Wasser: Zeichen des Ungeordneten, des Bedrohlichen, des Abgrunds; noch mehr aber Zeichen des Urgrunds, der Schöpfung, des Lebens.
Wasser: Zeichen für die Abgründe der Welt und unseres Lebens; noch mehr aber Zeichen dafür, dass Gottes lebendige Gegenwart uns durch alle Abgründe hindurch trägt und lebendig erhält – auch durch den Abgrund der Schuld; sogar durch den Abgrund des Todes.
Im Wasser der Taufe begegne ich den Abgründen unserer Welt und meines Lebens. Zugleich aber begegne ich dem lebenspendenden Schöpferwort Gottes, seiner lebendigen Gegenwart, die schon über der Urflut schwebte. Und ich bekomme für mein ganzes Leben und über dieses Leben hinaus die Zusage: Mein Schöpferwort hat dem Abgrund der Urflut eine Grenze gesetzt. Es überwindet auch alle Abgründe Deines Lebens. Wie das Wasser in Bächen, Flüssen und Seen die Welt lebendig erhält, so werde ich, der lebendige Gott und Schöpfer, Da sein bei Dir und dich lebendig erhalten über alle Abgründe hinaus.